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Demo gegen rechts

Ein Text von Sofia Raki

 

D. und ich ketten unsere Fahrräder aneinander an. Sie lächelt und sagt, wie gut sie farblich zueinander passen: ihres ist orange und rot, meines ganz rot. Wir gehen los und gehen einmal um den Platz herum, weil der übliche Weg durch die Polizei gesperrt ist. Jemand fragt, wohin es zur Demo gehe. Die Polizistin lacht und sagt: das kommt darauf an, zu welcher Sie wollen.

 

Das Wetter ist unglaublich schön für Januar. Der Himmel ist blau und wir stehen in einem der Sonnenflecken, zwischen Menschen, die rauchen und Schilder halten. Ich möchte den Menschen vor mir antippen und anmerken, dass ich es ganz schön unhöflich finde, inmitten einer Menschenmenge zu rauchen, verkneife mir aber den Kommentar und rieche stattdessen an meinem Schal, um zu prüfen, ob er schon nach Rauch stinkt.

 

Die Reden haben schon begonnen, wir können nicht sehen, wer redet, hören ja, auch wenn die Akustik etwas zu wünschen übrig lässt. Der Redner – von der Stimme her männlich und älter, auch wenn wir das unmöglich genau wissen können – spricht davon, für die Demokratie zu kämpfen. Er sagt, dass die Demokratie nicht sexy sei und nicht in einem Minirock daherkomme. D. und ich schauen uns schockiert an, angewidert von dem sexistischen Vergleich.

 

Es geht weiter mit musikalischen Beiträgen und Reden, von denen man manche besser, andere schlechter versteht. Immer wieder klatschen wir, ich versuche, nur dann zu klatschen, wenn ich die gesagten Dinge auch unterstütze. Also klatsche ich meistens. Ich schaue mich um. Ich lese die Schilder, manche würde ich selbst auch tragen – Mäuse gegen rechts zum Beispiel – andere stoßen mir unangenehm auf. „Nazis essen heimlich Falafel.“ Was soll das heißen?

 

Nach der Demo gehen D. und ich durch die Straßen auf der Suche nach einem Café und reden über diesen Satz. Ich verstehe den Sinn, verstehe auch den Witz – aber spielt es eine Rolle? Ist dieses Argument wirklich so witzig und brillant? Für mich fühlt es sich an, als müssten wir unser Existenzrecht erarbeiten. Mit Dönern. Mit gutem Benehmen. Mit Falafel, zu der nicht mal Nazis nein sagen können. Doch was ist denn, wenn ich den Nazi nicht zufriedenstellen kann? Und es ist mir eigentlich auch egal, ob Nazis Falafel essen. Sie sind da und sie machen mir Angst. Ist mir doch egal, was die dann essen.

 

D. und ich reden nicht oft über diese Themen. Auch wenn sie die mir nächste Frau ist, mit der ich diese Erfahrungen teile. Wir reden nicht darüber, wie wir beide für ein Stück besetzt wurden, in dem es nicht wichtig war, woher wir genau kamen, solange man sah, dass es nicht von hier war. Obwohl wir doch von hier sind. Eigentlich irgendwie. Doch wenn wir darüber reden, wie es sich anfühlt, wenn man in einer Menge von Leuten steht, die für dieselbe Sache demonstrieren und Schilder hochhalten, die den eigenen Werten entsprechen – für die diese Themen dann aber doch eher Diskussionspunkte als Existenzängste sind – wie einsam man sich manchmal fühlt und wie weit weg, dann fühle ich mich ihr nah. Ich weiß nicht, ob sie das auch fühlt, dieses manchmal auch Unausgesprochene. Diese Verbindung, die ich mit A. spüre, wenn ich ihm erzähle, wie ich durch die Blume als 'schwierig zu besetzen' bezeichnet werde wegen meines südländischen Aussehens. Diese große Lücke zu denen, die es nicht fühlen können. Wie sehr diese Lücke manchmal weh tut.

 

Nach dem Kaffeetrinken und Spazieren wollen wir nach Hause. Wir hören Rufe, Lärm, den wir unserer Seite zuordnen. Wir lassen die Fahrräder vorm Supermarkt stehen und stellen uns mitten in die Menge. Und dann kommt er: der Zug an Menschen, die uns nicht hierhaben wollen. Ich sehe nur Hinterköpfe und Fahnen in schwarz, rot, gold.

 

Um mich herum ist alles laut, alles voller Pfiffe, Übertönen und Sprechchören. Ich drehe mich um und sehe durch das Glas des Supermarkts einen Mann mit Metzgerschürze, der still zuschaut. Seine Haut und Haare wie meine. Unsere Blicke treffen sich. Ich sehe mich um. Höre den Lärm und sehe, wie der Zug einfach nicht aufhört. Dann zieht er weiter und die Menschen, die übertönen, laufen mit. D. sieht jemanden, den sie kennt, wir sagen hallo, die beiden umarmen sich, ich lächle freundlich, ohne ganz dabei zu sein. Ich würde gerne weinen oder auch nicht, ich weiß es nicht.

 

D. hakt sich bei mir unter und drückt meinen Arm. Und ich spüre das unausgesprochene, den Schmerz des Tages, die Ohnmacht. Würde gerne mehr Hoffnung spüren, aber es ist ok, dass die gerade nicht da ist. Ich drücke zurück und lege meinen Kopf an ihren. So stehen wir ein bisschen da, mitten auf der Straße, während die letzten Überbleibsel des Protests weiterziehen. Als wir uns lösen, weiß ich nicht, ob wir den anderen folgen oder nach Hause fahren sollen.

 

„Ich würde fast gern mitgehen“, sagt D. mit einem halben Lächeln. Wir gehen zurück zu den Fahrrädern, zwischendurch sagen wir Dinge wie „puh“ oder „krass“, wahrscheinlich, um nicht nichts zu sagen oder zu schreien. Wir setzen uns auf unsere Räder und fahren los. Ich bin nicht sicher, ob ihre Augen tränen oder ob ich mir zu viele Gedanken mache. Wir sind still und fahren Richtung Fluss. Der Himmel ist rosa und blau, es ist wirklich ein richtig schöner Tag, wettertechnisch. Kalt wird es langsam.

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